Erleuchtung und nachhaltiges Glück
Im Buddhismus zielen alle Übungen darauf ab, die Erleuchtung zu erreichen. Über das Thema Erleuchtung sind schon viele Bücher geschrieben, und es gibt verschiedene mögliche Ansätze, dieses Phänomen zu erfassen, von komplizierten religiösen Erfahrungen bis zu einem konkreten Bewusstseinszustand oder einer praktischen Lebenshaltung. Ein weitverbreitetes Missverständnis ist, dass es bei der Erleuchtung darum geht, in einer ständigen Glückseligkeit zu verkehren. Leider schützt die Erleuchtung nicht vor Traurigkeit, Angst oder Unglück. Außerdem ist die Erleuchtung kein statischer Zustand, sondern ein kontinuierlicher Prozess. Bei Zen-Meditation Berlin verstehen wir die Erleuchtung als den Weg des nachhaltigen Glücks, ein Glücksempfinden, das nicht von irgendwelche glücklichen Umständen abhängt.
Dieser Weg lehrt uns, mit allen möglichen Lebenssituationen leichter umzugehen – Unbehagen zu ertragen, ohne sich darin zu verstricken, und auch in schwierigen Zeiten Freude und Dankbarkeit empfinden zu können.

Lojong und Tonglen: Training des Geistes
Jede buddhistische Tradition hat ihre eigenen Übungen, um das Leben in diesem Sinne zu bereichern. Bei Zen-Meditation Berlin schauen wir auch über die Grenzen des Zen-Buddhismus hinaus und machen gerne einen Ausflug in den tibetischen Buddhismus, zum Beispiel. In dieser Tradition wird das sog. Lojong verwendet, eine Trainingsmethode, die den Geist darin schult, im Leben offen und flexibel zu sein. Lojong bedeutet wörtlich „Training des Geistes“ und besteht aus 59 Übungen, die helfen, nachhaltiges Glück zu finden. Es handelt sich um eine systematische Reflexion und kontinuierliche Praxis. Eine der wirkungsvollsten Übungen dieser Tradition heißt Tonglen. Dabei atmet man bewusst Unbehagen ein und Freude aus. Intuitiv fühlt sich das seltsam an, weil wir gerne tief einatmen, wenn wir uns wohlfühlen, und unangenehme Gefühle mit einem tiefen Seufzer ausatmen. Tonglen erfordert eine radikale Umkehrung unserer instinktiven Tendenz, Unbehagen abzuwehren. Es ist sicherlich keine leichte Übung.
Verlangen und Abneigung: Wie unsere Gefühle unser Tun steuern
Unsere Gefühle lassen sich in zwei Hauptkategorien einteilen: Verlangen und Abneigung. Viele Emotionen entstehen in Situationen, die uns guttun – Behaglichkeit, Leidenschaft, Geselligkeit, Liebe, Bewunderung. Wir wenden uns diesen Momenten zu und möchten sie möglichst oft und lange erleben. Ich freue mich darauf, meine Freunde wiederzutreffen. Im Winter genieße ich die Wärme einer Bettdecke, während ich im Sommer ein erfrischendes Bad bevorzuge.
Zur Kategorie Abneigung gehören Gefühle, die uns von einer Situation oder Aktivität fernhalten – etwa Ekel bei einem unangenehmen Geruch oder Frustration, wenn etwas nicht gelingt. Diese Emotionen helfen uns, Situationen zu vermeiden, die uns augenscheinlich nicht guttun: Wir lassen Essen stehen, das uns nicht schmeckt, oder meiden Orte, die uns Angst machen.
Verlangen und Abneigung bilden einen starker Überlebensmechanismus, der die Menschheit erfolgreich durch die Jahrtausende geführt hat.
Doch nicht alles, was sich unangenehm anfühlt, ist tatsächlich schlecht für uns. Manchmal ist es notwendig, die eigene Komfortzone zu verlassen – etwa trotz Müdigkeit eine Runde zu joggen. Ebenso kann Angst uns vor Gefahren schützen, doch sie kann uns auch davon abhalten, neue Erfahrungen zu machen. Gleichzeitig ist nicht alles, was sich gut anfühlt, automatisch von Vorteil. Ein gemütlicher Abend auf dem Sofa kann wohltuend sein, doch zu viele davon machen uns träge. Gutes Essen genießen ist eine Freude, doch in Übermaß kann es uns schaden. Weder Abneigung noch Verlangen sind per se verlässliche Wegweiser – um kluge Entscheidungen zu treffen, müssen wir lernen, sie bewusst zu hinterfragen.

✅ Mehr Ruhe
✅ Weniger Stress
✅ Erholsamer Schlaf
✅ Bessere Konzentration
✅ Innere Gelassenheit
Trotz Abneigung zum Zahnarzt
Der Gedanke an meinen nächsten Zahnarztbesuch löst eher Abneigung als Verlangen aus. Doch ich weiß: Wenn ich meine Zähne nicht pflege, könnte ich eines Tages ohne sie dastehen – eine weitaus unangenehmere Vorstellung als ein kurzer Besuch beim Zahnarzt.
Zum Glück verfügen wir neben unseren Gefühlen über weitere mächtige Werkzeuge. Unser Verstand hilft uns, logische Entscheidungen zu treffen, während unsere Intuition uns befähigt, die Gesamtsituation auf einer tieferen Ebene zu erfassen. Wir kennen alle Momente des Zwiespalts, in denen unser Bauchgefühl etwas anderes sagt als unser Kopf.
Um unsere Fähigkeiten effektiv zu nutzen, ist es essenziell, den Umgang mit Abneigungsgefühlen zu lernen – und trotzdem zum Zahnarzt zu gehen, wenn es nötig ist.
Das Ende des Strandurlaubs
Manchmal sind die äußeren Umstände perfekt, und wir fühlen uns rundum wohl – etwa im Urlaub, wenn wir am Strand liegen und die täglichen Verpflichtungen weit weg scheinen. Während wir aufs Meer blicken, taucht oft der Gedanke auf: „Warum kann das Leben nicht immer so sein?“
Selbst in scheinbar perfekten Momenten neigt unser Geist dazu, einen negativen Gedanken zu formen – etwa an das baldige Ende dieser schönen Zeit. Der Grund dafür ist, dass es uns schwerfällt, loszulassen, was sich gut anfühlt. Die Vorstellung, dass der wunderbare Urlaub bald vorbei sein wird, legt sich wie ein dunkler Schatten über den Moment.
Wer solche Augenblicke ohne Gedanken an ihr Ende – und dadurch intensiver – erleben möchte, sollte lernen, auch das Gute loslassen zu können.

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Tonglen: üben, Gutes loszulassen
Während der Tonglen-Übung trainieren wir beide Fähigkeiten: den Umgang mit Gefühlen der Abneigung und das Loslassen positiver Empfindungen. Zunächst erinnern wir uns an eine Situation, die Abneigung in uns ausgelöst hat, und an eine, in der wir uns besonders wohlgefühlt haben.
Dann üben wir, beim Einatmen an die unangenehme Situation zu denken und beim Ausatmen die angenehme Erfahrung loszulassen. Das mag anfangs herausfordernd sein, doch mit jeder Wiederholung fällt es uns leichter. Übung macht auch hier den Meister.
Tonglen für Fortgeschrittene: das Leid der Welt einatmen
Tonglen wird im tibetischen Buddhismus als eine Praxis des Mitgefühls verstanden – eine, die über die eigenen Gefühle von Abneigung und Glück hinausgeht. Man atmet bewusst das Leid der Welt ein, um alle Lebewesen davon zu befreien, und atmet das eigene Glück aus, um es mit der Welt zu teilen.
Diese Praxis verkörpert direkt das Bodhisattva-Ideal: das bewusste Annehmen von Leiden und das Ausatmen von Mitgefühl – ein Akt der tiefen Verbundenheit mit allen Wesen.
Ich habe mich von diesem Ideal inspirieren lassen und bin zu der Überzeugung gelangt, dass nachhaltiges Glück nur möglich ist, wenn man sich auch um das Glück anderer kümmert. Diese Einsicht bildet die Grundlage meiner Tätigkeit als Zen-Lehrerin.
Sie ist die Verkörperung des buddhistischen Bodhisattva-Ideals: dass wahres Glück aus Verbundenheit und Dienstbarkeit entsteht – nicht aus persönlichem Verlangen.
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Leonne Boogaarts
Zen-Lehrerin und Gründerin von Zen-Meditation Berlin
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