Eine aktuelle Gallup-Studie, über die auch der Spiegel im Jahr 2024 berichtete, zeigt ein alarmierendes Bild der deutschen Arbeitswelt: Ein Großteil der Beschäftigten hat innerlich gekündigt und macht nur noch „Dienst nach Vorschrift“. Es verwundert also nicht, dass 45 % aktiv auf der Suche nach einem neuen Job sind. Ein Großteil bleibt jedoch in der inneren Kündigung stecken. Ein oft nachvollziehbarer Schutzmechanismus gegen Stress und Spannungen am Arbeitsplatz. Das Paradoxe ist jedoch, dass gerade diese Haltung eine noch tiefere Belastung oder einen noch größeren Stress verursacht. Die auf diese Weise sinnentleerte Arbeit wird zur Quelle von Leere und Zynismus. Ein Teufelskreis.
Sowohl für die Jobsuchenden als auch die innerlich Gekündigten bietet das japanische Konzept des Ikigai einen praktischen Weg, um eine Tätigkeit zu finden, die nicht nur mehr Spaß macht, sondern dem Leben wieder mehr Sinn geben kann.
Was ist Ikigai: Dein innerer Kompass
Ikigai ist ein japanisches Konzept, das ein einfaches und zugleich tiefgründiges Modell zur Selbstreflexion bietet. Es hilft dabei, den persönlichen Schnittpunkt zu finden, an dem das, was man sehr gerne macht (Leidenschaft), und das, worin man gut ist (Talent), mit dem zusammenkommt, was die Welt braucht (Mission) und wofür man bezahlt werden kann (Beruf).
Diese vier zentralen Fragen werden oft in einem Venn-Diagramm dargestellt, dessen Schnittmenge das persönliche Ikigai bildet. Dabei ist Ikigai kein starres Ziel, das man einmal erreicht, sondern ein flexibler Kompass für die Frage, was das Leben wirklich lohnenswert macht. Ein Kompass, der sich je nach Alter, Lebensphase und Weltlage immer wieder nachjustieren lässt.

1. Die Leidenschaft: Was lässt dein Herz singen?
Um diese Frage zu ergründen, frage dich: Welche Aktivitäten schenken mir wirkliche Freude und tiefe Befriedigung?
Vielleicht weißt du es sofort, vielleicht musst du länger darüber nachdenken. Beides ist in Ordnung. Nimm dir die Zeit, denn die Antwort hierauf ist das Fundament für viele wichtige Entscheidungen in deinem Leben. Es muss nicht nur eine einzige Antwort geben. Und sei dir sicher: Diese Antwort wird sich im Laufe deines Lebens wandeln und mit dir wachsen, denn du entwickelst dich ja weiter.
2. Das Talent: Wo liegt deine natürliche Stärke?
Jeder Mensch hat Fähigkeiten und Talente. Deren Verteilung ist nicht immer gerecht. Nicht jeder hat den Körper eines Spitzensportlers oder ist redegewandt wie ein Politiker. Und das ist auch gut so, denn die Welt braucht vielfältige Talente.
Verbinde Talent mit Leidenschaft
Die Frage, worin du gut bist, ist oft eng mit dem verbunden, was du leidenschaftlich gerne tust. Denn wenn du etwas lange und oft praktizierst – sei es Musizieren, Sport, die Leitung eines Teams oder die Pflege anderer Menschen – wirst du darin unweigerlich richtig gut.
Frag dich:
➡️ Worin sagen andere, dass du gut bist?
➡️ Bei welchen Aktivitäten vergisst du die Zeit, weil sie dir so leichtfallen?
3. Die Mission: Wie kannst du einen Beitrag leisten?
Die wahre Kraft des Ikigai entfaltet sich, wenn wir unsere Leidenschaften und Talente nicht nur für uns selbst nutzen, sondern sie mit den Bedürfnissen der Welt verbinden. Die zentrale Frage lautet: Wie kann ich mit dem, was ich gerne tue und gut kann, einen wertvollen Beitrag leisten?
Ein persönliches Beispiel aus meiner eigenen Reise:
Als ich vor ungefähr dreißig Jahren die Zen-Meditation für mich entdeckte, war ich begeistert von ihrer Wirkung. Ich las viel über die Geschichte des Zen und begann, mich für die wissenschaftlichen Hintergründe zu interessieren. Dies war zunächst nur ein persönliches Interesse.
Der entscheidende Wandel kam, als ich anfing, Meditationskurse anzubieten. Plötzlich bekam das Lesen für mich eine neue Dimension, eine neue Mission: Ich wollte das Gelernte so aufbereiten, dass ich es verständlich an andere weitergeben kann. Das Lesen über Themen, die mich ohnehin schon faszinierten, bekam dadurch einen tieferen Sinn und bereitete mir bis heute noch mehr Freude.
4. Der Beruf: Wie deine Leidenschaft zur Profession wird
Die Welt braucht vieles und ich könnte meinen Tag damit füllen, anderen Gefälligkeiten zu erweisen. Eine andere Frage ist, ob das, was ich den anderen anbiete, so wertvoll für sie ist, dass sie bereit sind, mich dafür zu bezahlen. Als Gründerin einer Zen-Schule muss ich immer wieder versuchen, mein Angebot so zu gestalten, dass es für die Menschen einen echten Mehrwert bringt und sie bereit sind, dafür eine Kursgebühr zu zahlen. Das zwingt mich, genau über die Bedürfnisse meiner Zielgruppe nachzudenken und mein Angebot darauf abzustimmen. Auch dies ist übrigens ein Prozess, der immer wieder neu durchlaufen werden muss.
Vom Nachdenken zur Praxis
Die Suche nach deinem Ikigai ist eine kraftvolle Form der Selbstreflexion. Der erste Schritt ist oft, die nötige Ruhe zu finden, um den eigenen inneren Kompass überhaupt hören zu können.
Möchtest du regelmäßig Inspiration und praktische Impulse für diesen Weg erhalten? Dann ist unser wöchentlicher Zenletter vielleicht genau das Richtige.
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Leonne Boogaarts
Zen-Lehrerin und Gründerin von Zen-Meditation Berlin
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