Wie du durch bewusstes Reduzieren zu mehr innerer Ruhe findest
Unser Leben ist voll. Voller Gegenstände, voller Aufgaben, voller digitaler Benachrichtigungen. Wir fühlen uns überladen und gestresst, und unsere instinktive Reaktion ist oft, noch mehr zu tun: mehr zu organisieren, mehr zu planen, mehr zu optimieren. Doch was, wenn der wahre Weg zu weniger Stress nicht im Hinzufügen, sondern im bewussten Weglassen liegt? Der Zen-Weg des Weniger ist eine kraftvolle Praxis, um durch Reduktion mehr Klarheit und Ruhe zu schaffen.

Die meisten Menschen, die Stress erfahren und etwas dagegen unternehmen wollen, packen erst mal mehr Ballast darauf. Sie nehmen sich vor, mehr Sport zu treiben, um den Stress wegzubewegen, planen einen zusätzlichen Urlaub und nehmen an einem Yogakurs oder einem Meditationskurs teil. Im Zen versuchen wir es andersherum: Wie können wir statt mehr, weniger tun?
Physisches Entrümpeln – Raum für Ruhe schaffen
Die Wohnung
Der Minimalismus befürwortet die Beseitigung von Unordnung und unnötigen Gegenständen, die unsere Umgebung überfüllen. Da auch unbewusst wahrgenommene visuelle Ablenkungen unser Gehirn belasten, soll eine minimalistische Umgebung den Geist beruhigen. Indem wir uns von Dingen trennen, die wir nicht mehr brauchen oder die uns nicht mehr gefallen, schaffen wir Raum für mehr Ruhe und Konzentration. Schau dich mal in deiner Wohnung um. Gibt es da Sachen, die du nicht brauchst oder die dir nicht mehr gefallen? Weg damit!
Der Kleiderschrank
Als Barack Obama in einem Interview in Vanity Fair auf seinen schlichten Kleidungsstil angesprochen wurde, erklärte er: „Ich will nicht entscheiden müssen, was ich esse oder anziehe, da ich viel zu viele andere Entscheidungen treffen muss.“
Es ist sinnvoll, seinen Kleiderschrank auszumisten, denn wenn man sich schon die Mühe macht, zu entscheiden, was man tragen will, dann sollte das Teil auch leicht zu finden sein. In meinem Kleiderschrank befindet sich noch immer ein vor dreißig Jahren gekaufter Designerblazer, der mir nicht mehr passt. Ich kann mich genau erinnern, als ich ihn im Geschäft passte und mir überlegte, ob ich ihn mir gönnen sollte. Dieses Teil steht heute für meine Hoffnung, irgendwann doch noch mal wieder hineinzupassen. Ich sollte mich wirklich davon trennen.
Die Dinge loslassen
Zen lehrt uns, dass das Festhalten an Dingen oft ein Festhalten an einer alten Identität oder einer unerfüllten Hoffnung ist. Loslassen schafft nicht nur Platz im Schrank, sondern auch im Geist.
Weniger zu haben, bedeutet nicht nur eine ruhigere Umgebung, sondern auch: weniger aufräumen, weniger waschen, weniger unterhalten. So schaffen wir nicht nur mehr Ruhe und Raum, sondern auch weniger Ablenkung und mehr Zeit.
Digitales Entrümpeln – Fokus zurückgewinnen
Das Postfach
Wenn ich meine E-Mails verarbeite, blättere ich oft durch viele Mails, die ich gar nicht brauche: Newsletter, die ich nicht lesen werde, Mailings an Mailinglisten, wo ich auch keine Ahnung habe, wie ich darauf gelandet bin. Es braucht nur einen Klick, um diese Ablenkungen loszuwerden. Diese Zeit nehmen wir uns oft nicht und sind uns gar nicht bewusst, wie viel Zeit wir in einem Jahr damit verbringen, uns diese Mails anzuschauen und immer wieder die Entscheidung zu treffen, dass sie nicht wichtig sind.
Der Computer
Auch ein überfüllter Computer beeinträchtigt die Produktivität erheblich und verursacht Stress. Gerade wenn ein Liefertermin ansteht, nervt es, wenn der Computer lange braucht, um ein Programm zu öffnen oder eine Datei zu finden. Die Zeit, ungenutzte Dateien zu finden und zu löschen, gewinnt man schnell wieder zurück. Ein aufgeräumter Rechner arbeitet schneller und effektiver und reduziert so den Stress, der durch lästiges Warten entsteht. Durch die Beseitigung dieser Ablenkungen kannst du dich besser konzentrieren und deine Aufgaben effizienter erledigen.
Finanzielles Entrümpeln – Freiheit gestalten
Weniger ausgeben
Sparsamkeit gibt bestimmte Freiheiten. Man könnte sich entscheiden, weniger zu arbeiten, oder einen weniger stressvollen Job zu suchen. Deutsche Verbraucher sind, wie Menschen auf der ganzen Welt, anfällig für Impulskäufe und Überkonsum. Die Gegenstände, die wir kaufen, kosten nicht nur Geld, sondern liegen auch wieder ungenutzt in unseren Wohnungen herum. Ein bewussterer und minimalistischer Umgang mit unseren Ausgaben schafft Raum für sinnvollere Ausgaben. Und wenn wir das gesparte Geld nicht für uns selbst nutzen wollen, gibt es viele wohltätige Zwecke, die sich über eine Spende freuen.
Mentales Entrümpeln – Klarheit finden
Intuition statt To-do-Listen
Eine weitere Form mentaler Last waren für mich lange Zeit uferlose Aufgabenlisten. Früher habe ich versucht, die Flut an Ideen und Vorhaben mit langen Listen und digitalen To-do-Apps zu bändigen. Lange Listen mit Büchern, die ich unbedingt lesen wollte, mit Städten, die ich besuchen wollte, oder eine Bucketlist mit vielen Vorhaben, ergänzten To-do-Listen mit Aufgaben, die zu erledigen sind, die ich aber immer wieder aufschob. Die Listen gaben mir keinen Überblick, sondern erzeugten Stress.
Heute verlasse ich mich auf ein einziges, einfaches und flexibles Offline-System: eine handschriftliche Agenda. Anstatt riesige Listen mit vagen Absichten anzulegen, vertraue ich auf meine Intuition, was an einem bestimmten Tag wirklich wesentlich ist.
Wissen, was zu tun ist, durch klare Ziele
Dieses Vertrauen in die Intuition ist aber kein blindes Raten. Es ist nur möglich, weil mein übergeordnetes Ziel klar ist: eine Zenschule aufzubauen, in der ich viele Menschen zu einem zenvollen Leben inspirieren kann. Dieses Ziel wirkt wie ein innerer Kompass. Es kalibriert meine Intuition und hilft mir jeden Tag aufs Neue zu spüren – nicht nur zu denken –, welche Aufgabe mich meinem Ziel wirklich näherbringt. Alles andere darf bewusst losgelassen werden. So wird die tägliche Planung von einer Last zu einem Akt der Klarheit und Ausrichtung.
Das ist die Essenz der Zen-Praxis im Alltag: nicht versuchen, alles zu tun, was irgendwie interessant wäre, sondern mit Klarheit das tun, was wesentlich ist.
Die Freiheit der Einfachkeit
Beim Weg des Weniger geht es nicht darum, in einem leeren Raum zu leben. Es geht darum, bewusst zu entscheiden, was wirklich einen Platz in deinem Leben verdient – sei es ein Gegenstand, eine Aufgabe oder ein Gedanke. Indem du das Unwesentliche loslässt, schaffst du Raum für das, was zählt: Klarheit, Fokus und eine tiefe, unerschütterliche Ruhe. Das ist die Freiheit, die in der Einfachheit liegt.
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Leonne Boogaarts
Zen-Lehrerin und Gründerin von Zen-Meditation Berlin
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