Im Nachhinein tut es dir leid. Wieder einmal hast du unüberlegt etwas gesagt und einen Freund gekränkt. Die verletzenden Worte waren ausgesprochen, bevor dir die Konsequenzen bewusst wurden. Du nimmst dir vor, beim nächsten Mal weniger impulsiv zu reagieren. Am nächsten Tag, im Meeting mit den Kolleginnen, möchtest du die Missstände im Team ansprechen, aber diesmal bleiben dir die Worte im Halse stecken. Der Impuls, nicht anecken zu wollen, gewinnt, und der Ärger bleibt unausgesprochen.
Viele Menschen wünschen sich, sich weniger von ihren Impulsen leiten zu lassen und stattdessen das zu tun oder zu sagen, was sie für richtig halten. Doch gibt es einen Ausweg aus den Fängen dieser scheinbar unkontrollierbaren Geister? Genau dieser Frage gehe ich in diesem Artikel nach.
Impulse entkommt man nicht …
Wir sind den ganzen Tag über Impulsen ausgesetzt, die sich durch sich verändernde Umstände ergeben. Es wird kälter, also ziehen wir uns lieber etwas über. Wir sehen einen Menschen stürzen und eilen hin, um zu helfen. Oder wir ärgern uns, weil jemand sich in der Schlange an der Supermarktkasse vordrängt. Vielleicht spürst du den Impuls, die Person darauf anzusprechen, oder du entscheidest dich, keinen Konflikt mit einem Fremden zu riskieren, und bleibst passiv.
Impulse gibt es in allen Formen und Größen. Sie können klein und kaum spürbar sein, wie der Drang, sich zu räuspern, oder stark und überwältigend, wie plötzliche Wut oder Angst. Manche Impulse sind rein körperlicher Natur, wie das Bedürfnis zu essen oder sich zu bewegen, während anderer emotionalen Art sind, wie der Drang, sich bei Kritik zu verteidigen oder in hitzigen Diskussionen Recht zu behalten.
… und das ist eine gute Sache
Vielleicht hast du schon mal versehentlich die Hand auf eine heiße Platte gelegt. Die sofortige, impulsive Reaktion ist, die Hand schnell zurückzuziehen. Würden wir erst überlegen, was zu tun ist, würden wir schwere Brandwunden davontragen. So hat uns so mancher Impuls schon vor großem Schaden bewahrt. Zum Beispiel der Impuls eines Autofahrers, der ein Kind sieht, das plötzlich die Straße überquert, und ohne zu zögern, auf die Bremse tritt. Oder die Frau, die plötzlich ein ungutes Gefühl hat und sich entscheidet, nicht alleine durch den dunklen Tunnel zu gehen.
- mehr Ruhe
- weniger Stress
- besser schlafen
- besser fühlen
- mehr Konzentration
- besser zuhören
- weniger störende Emotionen
- mehr Energie
… oder vielleicht doch nicht?
Für das Überleben des Menschen war es entscheidend, Nahrung und Ressourcen zu sammeln. Diese Gewohnheit wurde durch die Ausschüttung von Dopamin belohnt – ein Hormon, das ein Gefühl der Zufriedenheit auslöst. Heute spiegelt sich dieser Impuls in der Freude wider, die wir beim Einkaufen empfinden, auch wenn wir die Dinge gar nicht wirklich brauchen. Der Impuls kann so stark sein, dass er uns in die Kaufsucht treibt, was in finanziellen und gesellschaftlichen Ruin münden kann.
Ähnlich verhält es sich mit der Angst vor sozialer Ablehnung: In der Evolution konnte Isolation von der Gruppe den Tod bedeuten. Diese tief verwurzelte Angst führt dazu, dass wir uns bei Kritik schnell verteidigen oder den Spieß umdrehen und die Fehler des anderen aufzeigen. Anstatt die Chance zu nutzen, aus Kritik zu lernen, reagieren wir impulsiv, um unser Ego und unsere soziale Stellung zu schützen.
Impulse durchschauen
Sie tauchen unerwartet auf, fordern sofortige Aufmerksamkeit und drängen uns, schnell zu handeln – ohne dass wir darüber nachdenken, ob diese Reaktion wirklich notwendig oder hilfreich ist. Es fühlt sich an, als würden wir von einer inneren Kraft getrieben, die uns in eine Richtung zieht, bevor wir überhaupt die Chance haben, bewusst zu entscheiden. Ein erster Schritt zu mehr Selbstbestimmtheit könnte darin bestehen, seine Impulse zu verstehen und sie zu durchschauen. Es gibt verschiedene Praktiken, die uns dabei helfen können.
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Die Reflexion: verwandle impulsive Reaktionen in Lernmomente
Wer sich einen bewussteren Umgang mit seinen Impulsen wünscht, sollte beginnen, seine Impulse und ihre Folgen zu durchschauen. Macht uns ein weiteres Paar Schuhe wirklich glücklicher? Ist ein großer Streit mit einem Freund, dessen Kritik wir nicht ertragen, es wirklich wert? Diese Reflexionen im Nachhinein geben uns die Chance, beim nächsten Mal vielleicht etwas weniger impulsiv zu reagieren – auch wenn das nicht sofort gelingt. Statt uns über unsere Impulse zu ärgern, können wir sie als wertvolle Lernmomente auf dem Weg zu einem selbstbestimmten Leben nutzen.
Schreibmeditation: gib deinem Ärger Worten
Die Kraft der Reflexion wird stärker, wenn du nicht nur über deine Impulse nachdenkst, sondern deine Erfahrungen aufschreibst. In meinen Kursen empfehle ich den Teilnehmerinnen immer, diese Schreibmeditation zu praktizieren. Dabei geht es nicht darum, eine gelungene Geschichte zu schreiben, sondern deinem Ärger Worte zu geben.
Erlebe die Vorteile der Zen-Meditation!
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Lass einfach deine Gedanken durch Arm und Stift auf dem Papier strömen und schau, wohin sie dich führen. Die Strukturierung der Gedanken und die Verlangsamung des Denkprozesses bringen wichtige Muster ans Licht. So wird der Lerneffekt über deine Impulse deutlich verstärkt.
Zazen: die Schaubühne deiner Impulse
Im Mittelpunkt der Zen-Kurse steht die Sitzmeditation (Zazen). Wir setzen uns auf unser Meditationskissen und lenken unsere Aufmerksamkeit für eine bestimmte Zeit auf unsere Atmung. Schon nach einiger Zeit kommen sie von selbst: unsere Impulse. Während wir still in der Meditationshaltung sitzen, möchten sie uns zum Aufstehen bewegen, sie füttern unsere Ungeduld, und dann kommt auch noch eine unangenehme Erinnerung in den Gedanken. Die Übung besteht darin, diese Impulse einfach wahrzunehmen – ohne sie zu bewerten oder lösen zu wollen. Stattdessen lenken wir die Aufmerksamkeit wieder auf die Atmung, bis sie sich nach einiger Zeit wieder melden oder wir andere Impulse wahrnehmen.
Die Grenzen der Besonnenheit
Die gängige Empfehlung gegen impulsives Handeln lautet, bis zehn zu zählen und kurz innezuhalten, um dann überlegt und besonnen auf die Situation zu reagieren. Obwohl dieser Rat vernünftig klingt, ist er für die meisten Impulsiven nicht besonders hilfreich – wir sind schlicht zu impulsiv. Das Üben im Umgang mit Impulsen, außerhalb der impulsiven Situation, durch Reflexion und Meditation, ist deshalb ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg.
Jede nicht impulsive Reaktion kostet Willenskraft und Energie. Es ist ein unmöglicher Kraftakt, in jeder Situation, die uns begegnet, besonnen zu reagieren. Beim Beispiel mit der Hand auf der heißen Platte haben wir gesehen, dass eine überlegte Reaktion oft zu langsam ist, um Schaden von uns abzuwenden. Zudem wirkt eine besonnene, überlegte Reaktion in vielen Situationen distanziert, kühl und wenig authentisch.
Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dass, selbst wenn wir uns die Zeit nehmen, unser Handeln zu überdenken, die Realität oft zu komplex ist, um immer die „richtige“ Antwort zu finden. Neben dem impulsiven und dem besonnenen Reagieren möchte ich eine dritte Möglichkeit ins Spiel bringen.
Spontanität
Impulsiv und spontan werden auf begrifflicher Ebene oft als Synonyme verwendet. Ich möchte den Begriff „Spontanität“ jedoch für eine andere Herangehensweise nutzen – als dritte Reaktionsmöglichkeit neben impulsiv und besonnen. Die impulsive Reaktion entstammt unseren instinktiven Überlebensmechanismen, zu denen ich auch den Egoschutz zähle, der unsere Stellung in der Gruppe sichern soll. Das besonnene Handeln hingegen entspringt dem rationalen Denken, kostet viel Energie und liefert nicht immer befriedigende Ergebnisse.
Wir verfügen jedoch über eine dritte Fähigkeit, und das ist die Intuition, aus der die spontane Reaktion hervorgeht. Dieses Thema werden wir im nächsten Kurs besprechen, worüber ich dann auch wieder einen Artikel schreiben werde.