Am Bahnhof der niederländischen Kleinstadt, in der ich gerade eine intensive Meditationswoche gemacht habe, öffne ich meine Bahn-App. Große rote Buchstaben schreien mir entgegen, dass meine Zugfahrt nach Berlin gestrichen ist. Auf meiner Nachrichten-App lese ich, dass der gesamte Zugverkehr in Norddeutschland zum Erliegen gekommen ist.
In diesem Artikel schrieb ich, wie ich mich während der Meditationswoche darin übte, meine Situation nicht zu bewerten und im Moment zu sein. Auf dem Weg zum Bahnhof wurde mir klar, warum das wichtig ist: um in jeder Situation glücklich sein zu können, unabhängig von wunderschönen Sonnenaufgängen oder faszinierenden Herbstwäldern. Ob die neue Erkenntnis mir auch helfen wird, diesen Tag zu überstehen?
Vertrauen und Verantwortung
Im Regionalzug nach Hengelo versuche ich weiterhin, meine Aufmerksamkeit im Hier und Jetzt zu halten, obwohl mich die ausgefallene Weiterfahrt immer wieder ablenkt. In Hengelo fährt der IC planmäßig ein und ich mache es mir auf meinem reservierten Platz bequem. Beim nächsten Halt in Bad Bentheim ist jedoch Schluss mit Bahnfahrt. Wir werden alle gebeten, auszusteigen, der IC fährt nicht weiter. Einige hundert gestrandete Bahnreisende stehen auf dem Bahnhof der Grenzstadt und starren auf ihre Handys. Schnell wird klar, dass sie uns keine verlässliche Auskunft geben können. Auch die Frau am Schalter zweifelt, ob der nächste IC tatsächlich wie angekündigt nach Berlin fährt. Verlässliche Informationen gibt es nicht. Ich beschließe, jeden Zug zu nehmen, der mich ein Stück weiter nach Berlin bringt. Einige Niederländer, die die Strecke nicht kennen, beschließen, mir zu folgen. Das spontan entgegengebrachte Vertrauen rührt mich, aber ich spüre auch die Verantwortung. Meine Entscheidungen sind nun auch ihre Entscheidungen.
- mehr Ruhe
- weniger Stress
- besser schlafen
- besser fühlen
- mehr Konzentration
- besser zuhören
- weniger störende Emotionen
- mehr Energie
Glück gehabt
Wir fahren mit dem überfüllten Regionalzug nach Bielefeld. In Osnabrück steigen viele aus. Einige meiner Mitreisenden fragen mich, ob wir hier auch aussteigen sollen. Keine Ahnung. Vielleicht kommt hier gleich ein ICE, der uns bequem nach Berlin bringt, vielleicht stehen wir stundenlang herum und warten. Ich bleibe lieber im fahrenden Zug. In Bielefeld wird ein ICE nach Berlin angekündigt, der sich aber alle zehn Minuten um eine weitere halbe Stunde verspätet. Aus dem Nichts taucht ein Zug nach Hannover auf. Ich beschließe, ihn zu nehmen. Der Zug ist voll, wir finden keinen Platz mehr und stehen mit unserem Gepäck im Einstiegsbereich. Um uns herum viele genervte Menschen, streitend, meckernd, frustriert. In Hannover gibt es einen Zug, der uns über einen großen Umweg nach Berlin bringt. Endlich können wir sitzen. Meine Mitreisenden meinen, sie hätten Glück gehabt, mich getroffen zu haben, sonst hätten sie wahrscheinlich noch irgendwo gestanden und auf einen IC nach Berlin gewartet. In Berlin verabschiede ich mich von meinen Weggefährten, und wünsche ihnen einen schönen Aufenthalt in der Hauptstadt.
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Anderen helfen macht noch glücklicher
Als ich am Abend auf den Tag zurückblicke, stelle ich fest, dass es trotz Bahnchaos ein guter und lehrreicher Tag war. Wenn man auch in chaotischen Situationen im Hier und Jetzt bleibt, kann man auch einen Tag genießen, an dem alles schiefläuft, in überfüllten Zügen, mit genervten Menschen. Dass ich dabei auch noch anderen helfen konnte, machte mein Glück komplett. Mit der Zen-Meditation habe ich eine Technik erlernt, die mir hilft, mich immer wieder darin zu üben, im Hier und Jetzt zu sein und das Leben in jeder Situation zu genießen. Deshalb ist eine meiner vielen Definitionen von Zen heute: die Kunst, das Leben unter alle Umstände zu genießen.
Leonne Boogaarts
Zen-Lehrerin und Gründerin von Zen-Meditation Berlin
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