Es liegt in der Natur des Menschen, ihr Leben verbessern zu wollen. Das ist der Motor hinter persönlichem Wachstum und gesellschaftlichem Fortschritt und die Basis vieler unserer Entscheidungen. Wir wollen immer alles besser machen als zuvor. Aber was ist genau besser?
Gut und Schlecht
Hinter dem Wunsch nach Verbesserung verbergen sich Vorstellungen von Gut und Schlecht. Besser heißt weg von schlechten und hin zu guten Umständen. Da diese Ideen über Gut und Schlecht einen großen Einfluss auf unsere Entscheidungen und damit auf unser Leben haben, tun wir gut daran, diese Vorstellungen zu erforschen.
Das unternehmerische Besser
In Unternehmen laufen oft Optimierungskampagnen, die sich auf bessere Arbeitsabläufe richten. Besser heißt dann mehr Effizienz, Produktivität oder Leistung. Das letztendliche Ziel ist eine Gewinnmaximierung. Dieses Marktdenken hat sich auch private Lebensbereiche durchgedrungen und nicht wenigen trimmen ihr Leben auf eine immer bessere Performance. Sie sichern sich durch ständige Nachbildung eine bessere Position am Arbeitsmarkt, optimieren mithilfe von Diäten ihre Gesundheit, kurbeln ihre Motivation mit Fitness-Apps an und suchen den perfekten Partner auf Dating-Apps. Die Schattenseiten des Optimierungswahns sind Stress und Burn-out, Verlust von Spontanität und Kreativität und eine Verfremdung von sich selbst und seinen Nächsten.
Das andere Besser
Es ist also nicht verwunderlich, dass sich gerade eine Gegenbewegung von jungen Menschen entwickelt, die das Bessere interpretieren als mehr Entspannung, Work-Life-Balance und individuelles Wohlbefinden. In Bewerbungsgesprächen fordern sie mehr Freizeit, Flexibilität und sinnvoll muss die Arbeit sein. Arbeitgeber warnen jedoch, dass der Wunsch nach Teilzeitarbeit und die sinkende Bereitschaft zu Überstunden den ohnehin spürbaren Fachkräftemangel weiter verschärfen und zu Produktionsausfällen führen. Außerdem kann eine zu starke Fokussierung auf das eigene Wohlbefinden und Ich-Bezogenheit zu einem neuen Optimierungswahn führen. Auch hier kann das Streben nach einem idealisierten Zustand des Wohlbefindens Druck erzeugen und das Gefühl der Verbundenheit mit anderen oder einem größeren Ganzen untergraben.

Unsere Vorstellungen durchschauen
Wir sind uns unserer Vorstellungen über Gut und Schlecht oft nicht bewusst. Entscheidungen auf ihrer Basis zu treffen, fühlt sich als richtig und natürlich an. Wir hinterfragen sie nicht. Jetzt, wo du darüber liest, wirst du dich erst bewusst von diesem Mechanismus. Auch die Sitzmeditation (Zazen) kann uns bei unserer Bewusstwerdung helfen. Durch die Fokussierung auf unseren Atem entsteht ein Abstand zu unseren Gedanken. Statt uns mit unseren Vorstellungen zu identifizieren, sind wir imstande, sie wertfrei zu observieren und zu durchschauen. Das Loslassen vertrauter Ideen ist zwar schwierig, das Loslassen von dem, was man sich nicht bewusst ist, sogar unmöglich. Nur Vorstellungen, denen wir uns bewusst sind, können wir loslassen oder anpassen, wenn sie uns nicht mehr guttun.
Kriegskinder
Meine Eltern waren Kriegskinder und haben im Gegensatz zu mir Armut gekannt. Für ihre Eltern war das tägliche Ergattern von ausreichender Nahrung für sich und ihre Kinder eine echte Herausforderung, die auch manchmal nicht gemeistert wurde. Die Erfahrungen dieser Kinder, die später meine Eltern würden, haben meine Erziehung maßgeblich geprägt. Ein geregeltes Einkommen, eine Festanstellung, damit die Grundbedürfnisse abgesichert sind, waren die Werte, die mein Bild von guten Umständen prägten. Eine Festanstellung kündigen kam für mich lange nicht in Betracht, auch nicht als ich mich in meinem Job nicht mehr weiterentwickeln konnte, die Arbeit zu langweilig würde und einem Bore-out drohte.
Mit einer Flotte durch den Wald
Nachdem ich einige Zeit meditiert hatte, durchschaute ich den Grund, warum ich mir trotz eines guten Arbeitsmarktes nicht traute, mir einen anderen Job zu suchen. Während ich meditierte, erinnerte ich mich genau, wie meine Mutter mich mahnte, meine Hausaufgaben zu machen, denn nur so würde ich eine gute Arbeit bekommen. Erst als ich diese Bubble durchschaute, konnte ich neue Wege gehen. Diesen führte bei mir in die finanziell durchaus unsichere Selbstständigkeit, was sich für mich jedoch wesentlich besser anfühlte.
Manchmal schleppen wir veraltete und vererbte Vorstellungen jahrelang mit uns herum, obwohl sie uns nicht mehr weiterhelfen. Wir sind wie die Zen-Mönche, die eine Flotte durch den Wald schleppen, weil sie so praktisch war beim Überqueren des Flusses. So wird ein Waldspaziergang ein mühsames Unterfangen, genau wie unser Leben schwierig wird, wenn wir zu vielen veralteten Vorstellungen im Gepäck haben, die uns bei unseren heutigen Herausforderungen nicht mehr helfen, sondern eher stören. Wäre es da nicht eher von Vorteil, gar keine Vorstellungen mehr zu haben?

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Windfähnchen
Ein Leben ohne Vorstellungen wäre nicht möglich. Unser Gehirn produziert immer wieder Gedanken und Vorstellungen, genau wie unser Herz immer weiterschlägt. Und beide sind lebenswichtig. Auch unser kognitives Gehirn liefert wertvolle Informationen, hilft uns, Alternativen abzuwägen und konkrete Handlungen zu planen. Das Gehirn ist und bleibt ein wichtiges Instrument in Entscheidungsprozessen. Das Problem liegt darin, dass wir dazu neigen, uns mit unseren Vorstellungen zu identifizieren. Wir haben Gedanken, aber wir sind nicht unsere Gedanken.
Wir können die Vorstellungen durchschauen und uns bewusst dafür entscheiden, uns nicht mehr von ihnen leiten zu lassen. Wenn wir uns jedoch nicht mehr von unseren Vorstellungen über Gut und Schlecht leiten lassen wollen, laufen wir Gefahr, unser Fähnchen nur noch nach dem Wind zu hängen. Wir brauchen einen Kompass.
Das neue Bessere: der innere Kompass
Wie wir zu Anfang schon festgestellt hatten, liegt es in der Natur des Menschen, sein Leben verbessern zu wollen. Statt dieses Bessere jedoch von unseren Vorstellungen über Gut und Schlecht abhängen zu lassen, könnten wir uns auf unsere Gefühle verlassen. Wenn wir ein Gefühl der Unzufriedenheit wahrnehmen, ist das ein Signal, dass sich etwas ändern sollte. Statt lange darüber nachzudenken, was sich genau ändern sollte, kannst du experimentieren und ins Handeln kommen. Tu die Sachen mal auf eine andere Art und Weise und schau mal, wie sich das anfühlt. Besser?
Besser könnte man dann interpretieren als leichter, stimmiger oder sinnvoller. Und wenn das noch nicht der Fall ist, experimentieren wir spielerisch weiter, bis wir das gefunden haben, was sich richtig anfühlt, vorläufig. Denn wir ändern uns, wie unsere Mitmenschen und unsere Umgebung, ständig und damit sind auch immer wieder andere Entscheidungen zu treffen. Statt diese auf Basis fixen und vielleicht veraltete Vorstellungen zu treffen, verschieben wir unseren Lebenskompass nach unserer inneren Erfahrung in der aktuellen Situation.

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Kleine Schritte
Wenn es für dich neu ist, deine Entscheidungen auf deine Basis deiner inneren Stimme zu treffen, ist das am Anfang sicherlich gewöhnungsbedürftig und dein Kompass wird noch stark von deinen Vorstellungen beeinflusst. Für jemanden, der, wie ich, jahrelang von den Eltern eingeprägt bekommen habe, wie wichtig eine Festanstellung ist, wird sich eine Kündigung ziemlich unsicher anfühlen. Aber es muss ja nicht gleich eine Kündigung sein, um diesen Weg einzuschlagen. Man könnte mal mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren, anstatt mit dem Auto, mal kochen, anstatt eine Fertigmahlzeit zu verzehren, seine Freizeit anders gestalten. Wie fühlt sich das an? Lässt du es lieber bleiben, gehst du den Weg weiter oder versuchst du noch mal was ganz anderes? So wirst du deinen Kompass immer besser auf ein Leben justieren, das genau zu dir passt.
Zen-Meditation hilft dir dabei, obsolete Vorstellungen zu durchschauen und deinen inneren Kompass immer feiner zu justieren. Neben der Meditation besprechen wir in unseren Zen-Kursen jede Woche praktische Themen, um mehr Zen in deinen Alltag zu bringen. Möchtest du Zen ausprobieren? Klicke hier, um dich für die nächste Probestunde anzumelden.

Leonne Boogaarts
Zen-Lehrerin und Gründerin von Zen-Meditation Berlin
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