In meinem Kurs fragte ich die Teilnehmer diese Woche, wann sie ihre letzte Entscheidung getroffen hätten. Jemand erinnerte sich an den Morgen, als sie eigentlich im Bett bleiben wollte, aber dennoch aufstand. Eine andere Teilnehmerin überlegte, ob sie zum Kurs kommen sollte oder nicht. Tatsächlich schuf meine Frage sofort einen Moment der Entscheidung, in dem verschiedene Wahlmöglichkeiten bestanden: Welche Entscheidung wähle ich als meine letzte? Erzähle ich davon, oder nicht? Wie beschreibe ich die Entscheidung am besten? Wir treffen kontinuierlich Entscheidungen. Die Momente, in denen wir keine treffen, sind eher selten, zum Beispiel, wenn wir schlafen, bewusstlos sind oder reflexiv handeln, etwa wenn wir unsere Hand von einer heißen Kochplatte wegziehen.
Entscheidungen sind Kreuzungen, Abzweigungen oder Nebenwege auf unserem Lebensweg. Es sind die Weichen, die bestimmen, wo wir heute stehen. Sie prägen unter anderem den Beruf, den wir jetzt ausüben, die Wohnung, in der wir wohnen, den Partner, mit dem wir unser Leben teilen, und ob wir Kinder haben oder nicht. Jede Entscheidung, ob groß oder klein, trug zur Gestaltung unserer Realität im Hier-und-Jetzt bei.
Wie treffen wir Entscheidungen?
Wenn es um wichtige Entscheidungen geht, denken wir oft an einen gründlichen Prozess, bei dem wir genau überlegen, was für und was gegen etwas spricht – zum Beispiel, wenn wir ein Haus kaufen wollen. Dann rechnen wir durch, ob wir uns die monatlichen Hypothekenraten, inklusive Zinsen, leisten können. So entsteht langsam eine gut überlegte Entscheidung. Wie überlegt eine solche Entscheidung jedoch erscheinen mag, hat bei Fragen wie „Will ich mich so lange binden?“ oder „Werde ich in diesem Haus glücklich?“ auch der Bauch einiges mitzureden.

Entscheidungen kommen in viele Gestalten. Es gibt die blitzschnellen Entscheidungen, etwa wenn dir klar wird, dass es so nicht weitergehen kann und sich dringend etwas ändern soll. Wieder andere Entscheidungen erscheinen banal, fast unbewusst getroffen, und erweisen sich dennoch als äußerst tiefgreifend.
Unbedeutende Entscheidungen
Die Entscheidung, seine Heimat zu verlassen und sich in der Hauptstadt eines anderen Landes niederzulassen, wird meistens als eine wichtige Entscheidung gesehen. Wenn ich jetzt auf die Zeit zurückblicke, in der ich mich dazu entschied, kann ich mich an keine bewusste, gar wohlüberlegte Entscheidung erinnern. Der Aufenthalt als Erasmusstudent war ursprünglich nur für drei Monate geplant. Eine Bekannte machte mich auf eine Annonce aufmerksam: Eine Übersetzungsagentur suchte niederländische Übersetzer. Ich dachte: „Warum nicht?“ Die Idee, meinen Aufenthalt in Berlin um einige Zeit zu verlängern, sprach mich an. Das ist nun schon 25 Jahre her und ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, in die Niederlande zurückzuziehen. Den scheinbar unbedeutenden Gedanken „Warum nicht?“ – wie schon so oft gedacht – hatte einen maßgeblichen Einfluss auf meinen Lebensweg. Jeder erinnert sich wohl an solche scheinbar banalen Entscheidungen, wo sich im Rückblick vieles veränderte.
Unbewusste Entscheidungen
Viele Entscheidungen, die wir täglich treffen, treffen wir quasi unbewusst. Wir greifen automatisch zum Smartphone, wenn wir an der Haltestelle warten oder uns kurz langweilen. Wir reagieren reflexartig auf Kritik mit Verteidigung oder Ablehnung, bevor wir überhaupt zugehört haben. Wir essen hastig ein Brötchen oder einen Snack, ganz nebenbei, während wir arbeiten, fernsehen oder auf das Smartphone schauen, ohne das Essen wirklich zu schmecken oder zu bemerken, wann wir satt sind.
Die Frage ist, ob diese Gewohnheitsentscheidungen überhaupt „echte“ Entscheidungen sind. Obwohl unbewusste Entscheidungen in großen Maßen unser Verhalten prägen, denken wir bei Entscheidungen doch eher an bewusste und intentionale Abwägungsprozesse. Dennoch will ich dieses unbewusste, oft scheinbar reflexartige Verhalten eine Entscheidung zugrunde legen, und zwar deshalb, weil man sich auch anders entscheiden kann. Anders zu handeln ist zwar ungewöhnlich, spannend oder gar schwierig, aber diese Entscheidungsfreiheit hat man im Prinzip immer. An der Haltestelle könnte man, statt aufs Handy zu starren, auch das wahrnehmen, was gerade in seiner Umgebung passiert. Ich erinnere mich an einen Artikel von einer Journalistin, die im Selbstexperiment ihr Handy eine Woche lang nicht nutzte und erstaunt feststellte, wie leicht man handylos mit anderen Handylosen ins Gespräch kommt.
Bewusstwerdung durch Zen-Meditation
Die Infragestellung von Gewohnheitsentscheidungen ist eine wesentliche Voraussetzung für Veränderung und persönliches Wachstum. Eine Bedingung dafür ist jedoch, dass wir sowohl uns unserer unbewussten Entscheidungen als auch unserem Potenzial anders zu handeln bewusst werden.
Die Zen-Meditation hilft uns, ein Auge für unsere unbewussten Entscheidungsmuster und festgefahrenen Verhaltensweisen zu entwickeln und die Auswirkungen zu erkennen, die sie auf unser Leben haben. Durch das stille Sitzen und Beobachten lernen wir, die subtilen Impulse, Gedanken und Gefühle wahrzunehmen, die unseren automatischen Reaktionen zugrunde liegen. Diese Bewusstwerdung ist der erste und wichtigste Schritt zur Veränderung. Dadurch schaffen wir einen Raum, in dem wir bewusst eine andere Richtung einschlagen können. So können wir zum Beispiel lernen, statt mit Ablehnung auf Kritik zu reagieren, diese als ein Potenzial zu sehen, uns weiterzuentwickeln.
Die Entscheidung als Neubeginn
Die Entscheidung wird oft als das Ende eines Prozesses betrachtet. Nach langem Überlegen und Abwägen treffen wir eine Entscheidung, und damit ist die Sache erledigt. Bei Zen-Meditation Berlin sehen wir die Entscheidung jedoch viel mehr als einen Neubeginn. Erstens ergibt sich durch eine Entscheidung eine neue Situation, mit der man jetzt klarkommen soll. Man hat den Job gekündigt, die Wohnung verkauft oder das Ja-Wort gegeben und vieles ist nicht mehr, wie es einmal war.

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Die bewusste Entscheidung ist jedoch immer auch eine Entscheidung, neue Wege zu gehen. Sich achtsamer zu ernähren und mehr auf sich zu achten oder anders mit seinen Mitmenschen zu kommunizieren. Die Entscheidung ist damit ein Schritt in eine andere Zukunft, in der man sich bestimmte Fertigkeiten aneignet oder neue Chancen erkundet.
Die bewusste Entscheidung ist also ein kraftvolles Instrument für persönliches Wachstum. Sie ist der Schlüssel, um aus alten Mustern auszubrechen und das Leben aktiv zu gestalten. Es geht darum, vom passiven Reagieren zum bewussten Agieren überzugehen und die unzähligen kleinen und großen Kreuzungen des Lebens als Gelegenheiten zu nutzen, dich in die gewünschte Richtung zu entwickeln.
Zen-Meditation Berlin hat sich zur Mission gemacht, Menschen dabei zu unterstützen, so zu leben, wie sie wollen. Wir helfen dabei, die Meditationspraxis im Alltag zu integrieren und behandeln in unseren Kursen Themen, die zu einem bewussteren Leben beitragen.

Leonne Boogaarts
Zen-Lehrerin und Gründerin von Zen-Meditation Berlin
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Zen ist die Kunst, zu denken, was du denken willst. Mehr über dieses inspirierende Buch erfährst du hier.