Sei nicht authentisch – sei wie du sein willst

Das Ego: unser Anker im Leben

Jeder Mensch hat Überzeugungen über sich selbst: Was du kannst und nicht kannst, willst oder denkst. Diese Überzeugungen prägen unser Selbstbild, auch bekannt als Ego. Es gibt uns ein Gefühl von Identität, eine Vorstellung davon, wer wir inmitten eines ständigen Stroms von Erfahrungen und Eindrücken sind. Es gibt uns Orientierung und Struktur und hilft uns, Entscheidungen zu treffen, Ziele zu setzen und mit der Welt und den Menschen um uns herum in Beziehung zu treten. Ohne ein Ego würden wir uns verloren und orientierungslos fühlen. Es ist ein wesentlicher psychologischer Anker, der uns hilft, im täglichen Leben zurechtzukommen.

Die Kehrseite: wie das Ego uns begrenzt

Dieses Selbstbild schränkt uns jedoch auch ein. Es definiert nicht nur, wer wir denken, was wir sind, sondern eben auch, was wir nicht sind. Es flüstert uns zu: „Das kann ich nicht“, „So bin ich nun mal“. Denke an Überzeugungen wie „Ich bin ungeduldig“, „Ich bin nicht kreativ“ oder „Ich habe Angst, vor einer Gruppe zu sprechen“. Manchmal leiden wir sogar unter unserem Selbstbild. Die Vorstellung davon, wie wir uns verhalten sollten, kann uns immer wieder in Schwierigkeiten bringen, Stress verursachen und uns sogar krank machen. Unsere Erfahrungen und Überzeugungen formen unser Selbstbild und dieses Selbstbild bestimmt größtenteils wiederum, wie wir die Welt erfahren und einordnen. Es neigt dazu, sich immer wieder zu bestätigen: „Siehst du, das kann ich wirklich nicht.“

Een klein, veerkrachtig groen plantje breekt door donkergrijs asfalt, symbool voor groei en het overwinnen van beperkingen.
So wie diese Pflanze den Asphalt durchbricht, können wir die Grenzen unseres Egos erweitern und zu der Person heranwachsen, die wir sein möchten.

Ego ist nicht gleich Egoismus

Im alltäglichen Sprachgebrauch hat das Ego ein schlechtes Image und wird mit Egoismus in Verbindung gebracht. Große Egos sind uns suspekt. Dabei gibt es durchaus Egos, die sich als hilfsbereit sehen, und auch danach handeln: „Ich bin eben jemand, der gerne anderen Menschen hilft.“

Das Ego im Zen: Illusion oder komplexes Konstrukt?

Im Zen-Buddhismus wird das Ego oft als Illusion bezeichnet. Darin liegt die Gefahr einer ungerechtfertigten Vereinfachung. Ausdrücke wie „Ich denke, dass …“ implizieren, dass das Selbst unsere Gedanken formt. Neurowissenschaft und kognitive Psychologie gehen jedoch zunehmend davon aus, dass das Ich selbst das Produkt unseres Denkens ist. In diesem Sinne ist das Ich ein imaginäres Konstrukt, das jedoch viel komplexer und tiefgründiger ist als eine einfache Illusion.

Jenseits der Zerstörung: das Ego durchschauen

Außerdem wird in zenbuddhistischen Kreisen oft gesagt, das Ego sei zu überwinden oder gar zu zerstören. Obwohl das Ego seine Beschränkungen hat, halte ich das für keinen praktikablen oder hilfreichen Ansatz. In meinen Kursen lade ich die Teilnehmenden dazu ein, ihr Ego zu durchschauen: zu verstehen, warum wir tun, was wir tun, welche Überzeugungen unser Verhalten steuern, und damit einzusehen, dass wir die Wahl haben, anders zu handeln. Diese Einsicht kann uns nicht nur viel Stress ersparen, sondern auch neue Möglichkeiten eröffnen.

Methoden zur Veränderung: Reflexion und Meditation

In den Kursen von Zen-Meditation Berlin haben wir diese Woche das Ego thematisiert. Wir haben uns die Erfahrungen und Überzeugungen angesehen, die unser Selbstbild formen, und wie sie unsere Entscheidungen und Handlungen beeinflussen. Eine solche Reflexion hilft, zu verstehen, warum wir tun, was wir tun. Dieses Verständnis schafft Raum für Veränderung und Wachstum.

Auch die Meditation hilft uns, unser Ego zu durchschauen. Während der Meditation beruhigen wir unser Denken, indem wir uns auf unsere Atmung konzentrieren und die Gedanken, die uns durch den Kopf gehen, nicht bewerten. Dadurch sind wir imstande, unser Selbstbild mit etwas Abstand zu betrachten. Auch dies schafft Raum, um nicht hilfreiche Denkmuster zu erkennen und loszulassen. Schließlich ist der Gedanke „Ich kann das nicht“ nur ein Gedanke, den wir nicht unbedingt durch unsere Entscheidungen bestätigen müssen. Stattdessen könnten wir uns darin üben, zu sein, wer wir sein möchten.

Mythos Authentizität: die Fessel deiner wahren Natur

Das Konzept der Authentizität geht davon aus, dass es in jedem von uns eine wahre Natur gibt, und solange wir uns entsprechend verhalten, sind wir authentisch. Jeder Mensch wäre also an eine wahre Natur gebunden, die es gilt zu entdecken und unser Verhalten daran anzupassen.

Im Gegensatz zur Vorstellung einer festen wahren Natur steht das Ego: Es ist das Ergebnis unseres Denkens. Es verändert sich durchgehend und wächst mit jeder neuen Erfahrung. Zwar tendiert dieses Selbstbild dazu, sich selbst zu bestätigen, doch es kann sich grundlegend ändern. Das geschieht zum Beispiel, wenn wir tiefgreifende Erfahrungen machen oder Schicksalsschläge erleben. Durch Meditation und Reflexion können wir aktiv darauf Einfluss nehmen.

Die Chance zur Entwicklung: das formbare Ego

So kannst du zum Beispiel erkennen, dass du aufgrund deines unfreundlichen Verhaltens immer wieder in unangenehmen Situationen gerätst und beschließen, etwas dagegen zu unternehmen. Du kannst dir vornehmen, dich anders zu verhalten. Das wird sich anfangs ziemlich seltsam anfühlen und du wirst sicherlich nicht authentisch wirken. Wenn du jedoch trotz Rückschlägen weiter übst, wirst du immer besser werden und eine authentische Freundlichkeit entwickeln.

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Gerade weil das Ego ein Selbstbild ist, das durch unsere Gedanken geformt wird, ermöglicht es uns, uns anzupassen und zu der Person zu werden, die wir sein wollen. Ich sage nicht, dass es einfach ist oder wir unser Idealbild jemals vollständig erreichen werden, aber wir können die Richtung bestimmen, in die wir uns entwickeln wollen.

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Porträt von Leonne Boogaarts, Zenlehrerin und Gründerin von Zen-Meditation Berlin, mit lockigem, schulterlangem braunen Haar, schwarzem Oberteil und hellem Hintergrund.

Zen-Lehrerin und Gründerin von Zen-Meditation Berlin

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