Durch Meditation besser mit Schmerzen umgehen

Meditation wird oft mit mehr Ruhe und Entspannung in Verbindung gebracht. Während meiner langjährigen Zen-Praxis entdeckte ich einen weiteren unerwarteten Vorteil. Ich entwickelte die Fähigkeit, besser mit Schmerzen umzugehen.

Grüne Weide mit Baum
Nach einigen Tagen intensiver Meditation sehe ich nicht mehr die Wiese, sondern jeden einzelnen Grashalm.

Erkenntnisreiche Herausforderung

Sesshins sind einwöchige Retreats, bei denen man jeden Tag acht Stunden im Sitzen meditiert, nur sechs Stunden schläft und sechs Tage lang nicht mit anderen spricht. Ich genieße diese Sesshins so sehr, dass ich gerne auf Urlaub verzichte, um mich während eines solchen Retreats abzuquälen. In den ersten Tagen fällt mir das anspruchsvolle Programm zwar schwer, und am zweiten Tag denke ich schon mal an aufgeben, aber nachdem ich drei Tage überstanden habe, fühle ich mich immer wohler und glücklicher. Bei meinen Erklärungsversuchen, was mich denn immer wieder antreibt, diese Herausforderung anzugehen, sage ich oft: Nach einigen Tagen sehe ich nicht mehr die Wiese, sondern jeden einzelnen Grashalm. Es ist diese tiefe Wahrnehmung, in der sich die Schönheit des Lebens offenbart und zu Einsichten und Erkenntnissen führt, die mein Leben außerordentlich bereichern.

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Die Meditation kann ebenso gut Schmerzen lindern wie starke Medikamente, was eine gute Nachricht für Menschen ist, die an chronischen Schmerzen leiden.

Die Illusion, keine Schmerzen zu fühlen

Die größte Herausforderung für mich waren meine Beine. Obwohl die 25-minütigen Meditationszeiten mit Gehmeditation abgewechselt werden und es auch längere Pausen gibt, in denen ich durch den Wald spaziere, protestieren meine Beine gegen das lange Sitzen im Lotussitz mit nervigen Schmerzen. Eines Abends am vierten Tag des Retreats spürte ich zwar die Schmerzen in meinen Beinen, aber ich nahm sie irgendwie nicht mehr als schmerzhaft wahr. Ich konnte sie loslassen und mich voll und ganz auf meine Ausatmung konzentrieren. Ich fühlte mich in dem Moment so stark, dass ich dachte, ich brauchte nie mehr Schmerzen zu empfinden und konnte jetzt alle Hindernisse in meinem Leben mit Leichtigkeit überwinden.

Dies erwies sich jedoch als Illusion und die Schmerzen meldeten sich Monate später während meiner nächsten Sesshin zurück. Vergebens versuchte ich, den Zustand der Schmerzlosigkeit wieder zu erfahren. Jetzt weiß ich, dass ich mich zu sehr darauf konzentrierte, die Schmerzen nicht zu spüren. Man kann sich eben nicht vornehmen, etwas nicht zu fühlen, genauso wie man sich nicht vornehmen kann, nicht an einen hellblauen Elefanten zu denken. Das führte dazu, dass dieser Sesshin einer der schwierigsten würde, denen ich je erlebt hatte.

Meditation als Schmerztherapie

Ich musste noch einige Zeit weiterüben, meine Aufmerksamkeit immer wieder auf die Ausatmung zu lenken. Manchmal gelang es mir gut, und empfand ich die 25 Minuten als kurz, die nächste Meditationsperiode empfand ich wieder als lang und schmerzhaft. Nach und nach gelang mir das Meditieren immer besser und ich schaffte es trotz Beinprotest die Meditationsrunden fast schmerzlos zu genießen. In einem Spiegelartikel las ich, dass meine persönliche Erfahrung auch wissenschaftlich nachgewiesen war: Die Meditation kann ebenso gut Schmerzen lindern wie starke Medikamente, was eine gute Nachricht für Menschen ist, die an chronischen Schmerzen leiden.

Schmerzmittel betäuben den Schmerz, damit man sie nicht mehr oder weniger wahrnimmt. Während der Meditation nehme ich die Schmerzen zwar in vollen Umfang wahr, ich kann jedoch selber bestimmen, wie ich darauf reagiere. Oft ist der Schmerz ein Signal, dass irgendwas schiefläuft und es ist gut, adäquat zu regieren, um Schaden vom Körper abzuwenden. Manchmal muss oder will man die Schmerzen hinnehmen. In dem Fall ist es praktisch, wenn man sich dafür entscheiden kann, nicht an den Schmerz zu denken und ohne Verlust an Lebensqualität, das zu machen, was man gerade machen will.

Ruhe und Gelassenheit

Vor einigen Monaten musste ein Basalzellkarzinom aus meinem Gesicht entfernt werden. Vor dem Zunähen der Wunde warnte die Ärztin mich schon mal vor: sag Bescheid, wenn es zu schmerzhaft wird, dann hören wir kurz auf. Es war trotz Lokalanästhesie tatsächlich sehr schmerzhaft, schon das Einspritzen der Betäubung tat gemein weh. Fast automatisch lenke ich bei Schmerzen mein Bewusstsein auf die tiefe Bauchatmung und konnte sie so gut ertragen. Der Pfleger, der meine Wunde verband, sagte mir, dass er von meiner Ruhe und Gelassenheit während der Operation beeindruckt war. Ich hatte nicht Mal gezückt, wodurch die Operation in der Hälfte der geplanten Zeit ausgeführt werden konnte. So etwas hatte er noch nicht erlebt. Schade, dass es nicht der Moment war, ihm zu erzählen, dass man dies lernen kann, durch regelmäßig zu meditieren.

Bitte beachte:
Dieser Artikel basiert auf meinen persönlichen Erfahrungen mit Zen-Meditation und Schmerzempfinden. Es hat Jahre gedauert, bis ich besser mit Schmerzen umgehen konnte, obwohl es nie meine Absicht war, mich gegen Schmerzen abzuhärten. Ich verweise auf einen wissenschaftlichen Artikel im Spiegel Online-Portal, der zeigt, dass Schmerztherapien, die auf Achtsamkeit basieren, anscheinend schnellere Ergebnisse liefern. Ich möchte betonen, dass ich dich nicht davon abhalten möchte, bei Schmerzen Schmerzmittel einzunehmen. Jeder hat seine eigene, einzigartige Art, mit Schmerzen umzugehen. Es ist wichtig, bei ernsthaften Schmerzproblemen immer professionellen medizinischen Rat einzuholen.