Jedes Semester gibt die niederländische Zen-Meisterin und -Lehrerin Floor Rikken in Utrecht (NL) einen Einführungskurs. Einer der Themen dieses Kurses ist Zen und Buddhismus, in der sie die Lebensgeschichte des Buddhas erzählt. Die Geschichte bietet viele Anknüpfungspunkte, um zu erklären, warum wir meditieren und welche Funktion die Selbstreflexion hat. Dabei geht es nicht um Nabelschau, sondern darum, uns leichter in der Welt und mit den Menschen zurechtzufinden.
Dieser Artikel von Floor wurde aus dem Niederländischen übersetzt und erschien zuerst auf Zen.nl, die niederländischen Partnerorganisation von Zenbogen.
Meine Version der Geschichte Buddhas
Es gibt viele Versionen der Lebensgeschichte des Buddhas. Jeder erzählt sie mit seinen eigenen Worten immer wieder neu. So bleibt die Geschichte lebendig. Wir teilen keine Dogmen, sondern arbeiten gemeinsam daran, durch Erzählen und Zuhören, Einsicht und Weisheit zu entwickeln.
Prinz Siddhartha Gautama – der spätere Buddha – war der Sohn eines Königs, dessen Mutter sieben Tage nach seiner Geburt starb. Die Schwester seiner Mutter, seine Tante Mahapajapati, die ebenfalls mit dem König verheiratet war, wurde seine Stiefmutter. Bei Siddhartha Gautamas Geburt sagte ein Wahrsager voraus, dass das Kind ein großer Herrscher werden würde, sei es auf weltlicher oder auf spiritueller Ebene. Sein Vater wollte, dass Siddhartha ihm als König nachfolgt und beschloss, das Kind in Reichtum, ohne Schmerz und Leid aufzuziehen. Siddhartha bekam alles, was er brauchte: eine gute Erziehung, Kunst und Kultur, immer umgeben von schönen und gesunden Menschen, die sich um ihn kümmerten. Es fehlte ihm an nichts. Und doch erwachte in ihm die Neugier auf die Welt außerhalb der Palastmauern. Einmal durfte er in einer Kutsche durch die Stadt fahren, aber er sah nur auf Hochglanz polierte Straßen. So wie wir die Stadt auf Hochglanz bringen, wenn das niederländische Königspaar vorbeikommt; sie sehen keine Wertstoff- und Müllcontainer am Straßenrand. Siddhartha blieb jedoch neugierig auf das Leben außerhalb der Palastmauern und fragt seinen Vater immer wieder, ob er allein in die Stadt gehen dürfe. Doch der König lehnte ab.
Im Laufe der Jahre habe ich erkannt, dass ich oft mehr Angst vor dem habe, was ich glaube, was kommt, als vor dem, was hier und jetzt ist.
Siddhartha ohne Erlaubnis in die Stadt
Eines Tages beschloss er, sich ohne Erlaubnis auf den Weg zu machen. Er bat seinen persönlichen Diener, ihn außerhalb der Palastmauern in die Stadt zu begleiten. Mit alten Kleidern verkleidet, gingen sie gemeinsam durch die Stadt. Anonym und frei, sich umzusehen. Es folgten vier Begegnungen, die einen tiefen Eindruck auf Siddhartha machten. Zum ersten Mal in seinem Leben sah er einen kranken Menschen. Der Kranke hatte Fieber und Geschwüre. Die Menschen standen um den Kranken herum, versuchten zu helfen und trauerten. Das berührte Siddhartha. Er begegnete einem sehr alten Menschen, auch so etwas hatte er noch nie gesehen. Vom Leben gezeichnet, grau, gebeugt, zahnlos und sich langsam vorwärts schleppend. Auch das berührte Siddhartha. Sie erreichten den Feuerbestattungsplatz und sahen einen Toten im lodernden Feuer liegen. Als die Flammen begannen, den Körper zu verzehren, standen die Menschen um ihn herum und weinten. Siddhartha war tief berührt. Die vierte Begegnung war mit einem Mönch. Sein kahler Kopf war mit Asche bedeckt. Die aus Leichentüchern hergestellte Kleider waren mit Safran desinfiziert und daher gelb und manchmal rot gefärbt. Auch der Anblick des Mönchs berührte Siddhartha.
Zurück zum Palast
Sie kehrten in den Palast zurück, aber das Gesehene ließ ihn nicht los. Existenzielle Fragen begannen in Siddhartha Wurzeln zu schlagen. Warum leiden die Menschen? Was ist Glück? Ist es möglich, frei von Leid zu sein? Diese Fragen ließen Siddhartha nicht mehr los. In ihm resonierte das Leiden der Menschen, denen er begegnet war. In ihm erwachte der Drang, nach Antworten zu suchen. Er wollte einen Weg finden, wie die Menschen glücklich werden könnten. Er verließ den Palast für immer und begann seine Suche nach der Einsicht, die ihn zum Buddha werden ließ. Eine Suche nach Einsichten und Methoden, die den Menschen helfen, nachhaltiges Glück zu finden. Ein Weg, den wir bei Zen.nl bis heute gehen.
Die Geschichte Buddhas ist auch meine Geschichte
Vor fast 30 Jahren hatte ich eine Begegnung, die mich unbewusst tief beeindruckt hat. Ein Meinungsforscher hatte mich für eine Umfrage über die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel kontaktiert. Wir trafen uns in einem Café. Er stellte sich vor und erzählte mir während des Gespräches, dass er einen Schlaganfall erlitten hatte. Dadurch fühlte er sich wehrlos und verletzlich. Ich erinnere mich, dass ich das Gespräch anfangs sehr nett fand, aber mit der Zeit fühlte ich mich immer unwohler. Das Gespräch wurde mir so unangenehm, dass ich es irgendwann nicht mehr aushielt und gehen musste. Ich stand auf und ging, ohne meinen Tee zu bezahlen. Erst Jahre später, als ich schon eine Weile meditierte, kam mir dieses Gespräch wieder in Erinnerung. Mir wurde klar, dass seine offene und ehrliche Geschichte mich damals ganz unerwartet mit meiner eigenen Verletzlichkeit konfrontiert hatte. Damals konnte ich damit überhaupt nicht umgehen. Ich habe jahrelang nicht an die Situation gedacht, sie verdrängt, bis ich mit der Meditation angefangen hatte. Wahrscheinlich habe ich es auch verdrängt, weil ich mich dafür geschämt habe, dass ich einfach weggelaufen bin, obwohl der Mann sehr nett war.
Überfordert durch Leid und Vergänglichkeit
Wenn ich heute auf diese Begegnung zurückblicke, wird mir klar, dass ich damals nicht in der Lage war, mich meiner eigenen Verletzlichkeit und Sterblichkeit zu stellen. Es war mir so unangenehm, dass ich mich unhöflich verhielt. Durch die Meditation habe ich gelernt, mit Leiden – auch mit meinem eigenen – gelassener umzugehen. Ich laufe weniger oder gar nicht mehr davor weg und kann jetzt über dieses Thema schreiben und sprechen. Das schafft Raum und Verbundenheit. Im Laufe der Jahre habe ich erkannt, dass ich oft mehr Angst vor dem habe, was ich glaube, was kommt, als vor dem, was hier und jetzt ist. Ich habe gelernt, dass ich mich vom Schmerz eines anderen Menschen berühren lassen kann, ohne dass dieser Schmerz mich überwältigt. Die Meditation hat mich gelehrt, im Moment ruhig zu bleiben, bei der Sache zu bleiben und mich nicht in meinen Ängsten oder anderen Gefühlen zu verlieren.
Unvermeidliche Vergänglichkeit und trainierbare Belastbarkeit
Nach seinen vier Begegnungen kehrte Siddhartha Gautama für eine kurze Zeit in den Palast zurück. Dennoch war er zutiefst berührt von dem Schmerz und Leid, das er gesehen hatte. Er musste es verarbeiten und erforschen. Er sah die Unvermeidlichkeit der Veränderung von Körper und Geist und er sah die Angst und den Widerstand der Menschen gegen diese unabwendbare Veränderung. Schmerz, Verlust, Tod, Vergänglichkeit sind unvermeidlich. Aber wir können lernen, nicht davor wegzulaufen, denn das Weglaufen vor Verlust und Tod bringt uns nicht weiter und kann noch mehr Leid verursachen. Der Zen-Weg ist eine lebenslange Praxis, die Selbstreflexion, Meditation und das ständige Erforschen der eigenen Erfahrungen umfasst, damit Einsicht und Weisheit wachsen können. Zen bedeutet, sich gut zu fühlen, indem man Einsicht und Belastbarkeit entwickelt. Buddha hat in seinem Leben viel Schmerz und Leid lindern können. Er hörte den Menschen immer zu und tat, was nötig war. Manchmal gab er Ratschläge, manchmal behandelte er eine Wunde, manchmal ließ er die Menschen selbst herausfinden, was sie brauchten. Buddhas Geschichte inspiriert mich sehr und ich freue mich immer wieder darauf, diese mit vielen Menschen zu teilen.
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